einfach lernen - Jens Witte, M.Ed.

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Ja
Zeugnisse während Corona - So ein Schwachsinn?!?
29.01.2021 11:29

Wie kann man nur während Corona überall das öffentliche Leben lahmlegt, Halbjahreszeugnisse vergeben? Ein großer Teil des Halbjahres hat doch überhaupt nicht stattgefunden. Ist die Gesundheit der Kinder nicht wichtiger als Noten? Diese und ähnliche Argumente hört man zurzeit recht häufig. Sie befeuern die ohnehin schon ausreichend kontroverse Diskussion um Zeugnisnoten, die pünktlich alle 6 Monate zum Halbjahreswechsel aufkommt, noch weiter.

Gleichzeitig wird von Seiten der Schulen und der verantwortlichen Ministerien argumentiert, dass die Zeugnisse der einzige Grund überhaupt sind, der das Risiko von Präsenzunterricht während der Pandemie rechtfertigt. Ohne die Notwendigkeit Schüler zu benoten könnte man den Schulunterricht bis zum Ende der Corona-Pandemie gleich ganz aussetzen. Vielleicht wäre das Lehrpersonal dann frei, um in den Impfzentren oder bei der Kontaktnachverfolgung zu helfen.

Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo dazwischen. Tatsache ist und wird auch immer bleiben, dass wir eine Leistungsgesellschaft sind, in der vor allem Qualifikationen – bzw. schriftlich belegte Qualifikationen – über Erfolg und Misserfolg des Einzelnen entscheiden. Die grundlegendste Form dieser Qualifikationen sind Schulzeugnisse. Damit kommt ihnen für das spätere Berufsleben eine entscheidende Bedeutung zu. Bei allen Schwächen unseres Benotungssystems (Ja, Noten sind subjektiv und sagen manchmal mehr über den Lehrer aus als über den Schüler und ja, manchmal ist der Unterschied zwischen „gut“ und „ausreichend“ der- oder diejenige, die eine Arbeit kontrolliert) geben Zeugnisse einen wichtigen Einblick in Fähigkeiten und Leistungen der Schülerinnen und Schüler.

In diesen schwierigen Zeiten sind Zeugnisse – besonders die Zeugnisse der letzten beiden Schulhalbjahre – noch essentieller als sonst. In diesen beiden Schuljahren konnten und mussten die Kinder und Jugendlichen in Deutschland etwas lernen, das um Welten wichtiger ist als jede mathematische Formel und jede lächerliche Gedichtanalyse. In diesem Schuljahr gilt tatsächlich einmal der berühmte Satz „Ihr lernt nicht für die Schule, ihr lernt für das Leben“. In diesen beiden Schulhalbjahren mussten die Schülerinnen und Schüler lernen, selbstständig zu lernen. Wer das gelernt hat und gute oder hervorragende Noten auf seinem Zeugnis hat, darf diese als besondere Auszeichnung verstehen. Die Fähigkeit, sich selbst effektiv Wissen anzueignen, ist der eigentliche Schlüssel zum Erfolg. Lehrerinnen und Lehrer sind Helfer, Unterstützer, aber verantwortlich für den eigenen Erfolg, ist man am Ende des Tages immer selbst.

Natürlich haben Studien belegt, dass auch die familiären Verhältnisse massiven Einfluss auf den späteren Bildungserfolg eines Kindes haben. Dennoch ist es möglich, mit etwas Hilfe und der entsprechenden Motivation auch unter schlechten Voraussetzungen große schule Erfolge zu erzielen.

Vielleicht ist es am Ende der Corona-Zeit eine der positiven Folgen, dass in unserem Schulsystem endlich dringend benötigte Reformen für mehr digitale Lernmöglichkeiten, für mehr individuelle Förderung und für mehr selbstständiges, eigenverantwortliches Lernen angestoßen und umgesetzt werden.

Für uns als Eltern bleibt zunächst zu tun, was bei jedem Zeugnis zu tun ist: Gute Noten zu belohnen und bei nicht so guten Noten Verständnis und Unterstützung anzubieten.

Was haltet ihr vom Distanzunterricht und von Zeugnissen zu Coronazeiten? Teilt mir eure Meinung in den Kommentaren mit!

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